Freitag, 9. November 2012
Es wird Nacht um uns
Ich setze mich an den See und starre in die Finsternis. Dort hinten kann ich zwei leuchtende Punkte erkennen, die sich mir langsam nähern. Ich erschrecke und schaue wie gebannt in die Dunkelheit damit ich sehen kann, was dort auf mich zukommt. Es ist ein Kater. Schwarz, etwas pummelig und anschmiegsam. Er tapst auf mich zu und setzt sich mir auf den Schoß. Einfach so. Voller Vertrauen, dass ich ihm nichts antue. Ich kraule den schwarzen Kater im Nacken. Das leise Schnurren unterbricht die von zirpenden Geräuschen geschmückte Stille. Der Kater rollt sich in meinem Schoß ein und wärmt mich. „Weißt Du wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? Weißt Du wie viel Wolken gehen weithin über alle Welt?“ Ich summe leise vor mich her. So lange, bis der Kater eingeschlafen ist und ich nur noch seinen beständigen Atem höre. Daneben das Sirren der Heuschrecken. Zwischendrin höre ich eine Eule, wie sie aus tiefer Kehle ihr Lied anstimmt. Der Mond scheint über den See und legt einen silbrigen Schleier auf das Wasser. Die Gräser und hohen Sträucher neben mir wiegen sich im leichten Wind der Nacht und lassen mir eine flüchtige Gänsehaut über den Rücken laufen. Ab und zu rascheln die Bäume etwas weiter weg vom See. Erst jetzt kann ich sie erkennen - vorher waren nur die Umrisse sichtbar. Die Augen brauchen eine gewisse Zeit, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ich schaue nach oben und sehe die Sterne über mich wachen.
„Bitte Gott… Nimm mich wieder mit nach oben. Nimm mich mit. Ich flehe Dich an.“
Die anderen suchen mich bestimmt schon. Es ist mir egal. Ich sitze hier, sehe der Nacht beim Schlafen zu und warte darauf, auch einzuschlafen - für immer. Die frische Luft kitzelt in meiner Nase und ich spüre, wie Getier an meinen nackten Beinen herauf krabbelt. Ich bin umgeben von hohem Gras, morgen früh ist mein Körper bestimmt von Zecken übersät. Ich ziehe meine Strickjacke aus und lege mich ins Gras. Der Kater auf meinem Schoß bewegt sich in Einklang mit meinem Körper und sinkt mit mir gemeinsam hinunter zwischen die hohen Halme. Meine Strickjacke lege ich schützend über uns. Ich rolle mich ein und der Kater legt sich direkt neben mich in die Mulde zwischen Beinen und Bauch. Ich kraule ihn weiter und merke, wie mein ganzer Körper zur Ruhe kommt, wie meine Glieder entspannen und die Wärme des flauschigen Balles neben mir durch meinen gesamten Körper strömt. Ich schließe meine Augen und atme den Duft der Nacht ein. Langsam verabschieden sich meine Gedanken und mein Bewusstsein von mir. Mein Herzschlag wird ruhiger, irgendwie sanfter. Ich höre das Pochen meines Herzens in meinen Ohren. Es wird langsamer. Zwischen den einzelnen Herzschlägen entstehen immer größere und unregelmäßigere Pausen. Als ich meine Augen wieder öffnen will, geht es nicht mehr. Ich bin zu schwach, um meine Lider zu bewegen. Alles ist zu schwach. Meine Glieder, selbst die Gedanken werden schwächer. Ich konzentriere mich auf das beständige Atmen des schwarzen Katers. Es wird immer leiser, bis ich nichts mehr höre. Das Sirren der Heuschrecken und das Heucheln der Grashalme. Das Wispern in den Bäumen und das Lied der Eule. Alles verstummt, so als hätte jemand den Regler für die Lautstärke hinunter geschoben. Das einzige, was bleibt, ist das Gefühl der Wärme, die sich von meinem Bauch ausgehend in meinen ganzen Körper erstreckt. Langsam aber sicher, hört mein Herz auf zu schlagen. Ein Schlag, zwei Schläge, ein Schlag, Pause. Pause. Pause. Ein Schlag. Pause. Stille.

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